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Öffentliche Beschaffung beschleunigen

Apr. 07, 2020

Herzlich willkommen zu einem neuen Blog-Beitrag bei Vergabe Plus. Diesmal geht es um wichtige Neuerungen und aktuelle Entwicklungen im Vergaberecht. Alle Maßnahmen sollen die öffentliche Beschaffung beschleunigen.


Die aktuelle Gesetzesänderung im deutschen Vergaberecht mit dem - Gesetz zur beschleunigten Beschaffung im Bereich der Verteidigung und Sicherheit und zur Optimierung der Vergabestatistik - soll generell eine schnellere Beschaffung im Bereich der Verteidigung und Sicherheit sicherstellen.


Auf der anderen Seite gibt es wegen des Corona Virus auch temporäre Maßnahmen welche eine beschleunigte öffentliche Beschaffung wegen Dringlichkeit gewährleisten sollen. Diesbezüglich gibt es sowohl ein Rundschreiben des BMWi sowie eine Mitteilung der EU-Kommission.

Gesetzesänderung im deutschen Vergaberecht

Das Gesetz zur beschleunigten Beschaffung im Bereich der Verteidigung und Sicherheit und zur Optimierung der Vergabestatistik ist am 2. April 2020 in Kraft getreten. In erster Linien soll damit die öffentliche Beschaffung im Bereich der Verteidigung und Sicherheit beschleunigt werden, insbesondere für die Auslandseinsätze der Bundeswehr, zur Terrorismusbekämpfung sowie für sogenannte Großschadenslagen.
öffentliche Beschaffung beschleunigen bei der Bundeswehr
Für solche Fälle sollen Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und Ausnahmen vom Vergaberecht nach § 346 AEUV erleichtert werden und damit die öffentliche Beschaffung deutlich verkürzt werden.

Hauptsächlich betreffen die Änderungen folgende Paragrafen:
  • § 107 GWB - hier werden Ausnahmen vom Vergaberecht nach § 346 AEUV präzisiert
  • § 12 VSVgV - hier wird die Anwendung für Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb aufgrund von Dringlichkeit präzisiert, insbesondere bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr, bei friedenssichernden Maßnahmen, zur Abwehr terroristischer Angriffe und bei unmittelbar drohenden Großschadenslagen
  • § 14 VgV - hier wird ebenfalls die Anwendung für Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb präzisiert, konkret zu welchem Zeitpunkt festgestellt werden muss, dass der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann
Die Gesetzesänderung hat also neben Auswirkungen auf die VSVgV auch Auswirkungen auf das GWB sowie die VgV. Damit ist das Vergaberecht (Ausgabe 2019) veraltet und wir brauchen streng genommen wieder neue Bücher. Ärgerlich ist das natürlich für diejenigen, die gern Passagen markieren und Post-Its mit Notizen einkleben. Wer jedoch nicht für den Bereich Verteidigung und Sicherheit beschafft, für den wird sich kaum etwas verändern sodass die "alten Bücher" weiterhin verwendet werden können.

Rundschreiben des BMWi zu Vergaben wegen COVID-19

Am 19.03.2020 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ein Rundschreiben zur Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Beschaffung von Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Corona Virus SARS-CoV-2 versendet.


Nach Einschätzung des BMWi liegen durch die Corona-Pandemie Gründe für Dringlichkeitsbeschaffungen vor. Normalerweise sind die Voraussetzungen für Dringlichkeit sehr restriktiv, beispielsweise zählt eine durch den Auftraggeber selbst verschuldete Dringlichkeit nicht dazu. Dies ist bei Corona selbstverständlich nicht der Fall, umso erfreulicher ist es, dass das BMWi den öffentlichen Auftraggebern und Sektorenauftraggebern in dieser Situation den Rücken stärkt.

Was bedeutet Dringlichkeit in der Praxis?

Zum einen können Auftraggeber wegen Dringlichkeit, das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nutzen. Diese Vergabeart schränkt den Wettbewerb sehr stark ein oder schließt ihn sogar komplett aus, deshalb gibt es normalerweise große Hürden bevor öffentliche Auftraggeber dieses Verfahren nutzen dürfen. Den Auftraggebern ermöglicht es jedoch schnell zu handeln. Gerade in Zeiten wie diesen zählt natürlich die schnelle Gefahrenabwehr mehr als ein fairer Wettbewerb.

Weiterhin können Fristen auch bei anderen Vergabearten wie dem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb extrem verkürzt werden. Auch hier gilt ebenfalls Geschwindigkeit vor Wettbewerb. Ähnliche Regeln zur Dringlichkeit gelten auch für unterschwellige Vergaben. Hier empfehlen sich Vergabearten wie die Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb.

Außerdem weist das BMWi darauf hin, dass bestehende Verträge nach § 132 GWB ausgeweitet werden können. Auch hier sieht das Vergaberecht Ausnahmen für Ereignisse vor, die der öffentliche Auftraggeber nicht vorhersehen konnte. Das BMWi stellt klar, dass das Corona-Virus diese Voraussetzungen erfüllt.

Für welche Fälle gilt der Ausnahmetatbestand wegen Dringlichkeit?

Eines vorweg, Dringlichkeitstatbestände sind restriktiv zu handhaben, weil sie den Wettbewerb massiv einschränken können. Dass das BMWi die Corona-Krise nun richtigerweise zu einem Dringlichkeitstatbestand erklärt hat, gibt den öffentlichen Auftraggebern selbstverständlich nicht die Möglichkeit sämtliche liegengebliebenen Vergaben jetzt schnell im Schatten von Corona abzuwickeln und die öffentliche Beschaffung dadurch insgesamt zu beschleunigen.

Durch Dringlichkeit lassen sich nur beschleunigte Vergabeverfahren begründen, die der Eindämmung der Corona-Pandemie dienen oder die den Betrieb der öffentlichen Verwaltung sicherstellen. Hierbei kommt es auf jeden Einzelfall an, der in der Vergabeakte entsprechend zu dokumentieren ist. Eine klare Dringlichkeit liegt derzeit sicherlich bei der öffentlichen Beschaffung von Beatmungsgeräten, Schutzmasken, Schutzausrüstungen für Krankenhäuser, Medikamenten oder Impfstoffen vor. Denkbar wäre aber sicherlich auch die Ausrüstung für den Betrieb von Homeoffice-Arbeitsplätzen von Behördenmitarbeitern wie Notebooks, entsprechende Software, aber auch die Erweiterung von Kapazitäten in Rechenzentren.

Selbstverständlich handelt es sich bei der Gefahrenabwehr von COVID-19 um eine zeitlich begrenzte Ausnahmesituation. Wenn die Corona-Krise irgendwann beendet sein wird, wird auch das Vergaberecht wieder "im normalen Modus" angewendet werden und derartige Beschaffungsgegenstände sind dann wieder unter wettbewerblichen Gesichtspunkten auszuschreiben.

Mitteilung der EU-Kommission

Auch die EU-Kommission war nicht untätig und hat in einer Mitteilung Leitlinien zur Nutzung des Rahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge in der durch die COVID-19-Krise verursachten Notsituation herausgegeben.

öffentliche Beschaffung beschleunigen durch COVID-19

Mehr zum Thema öffentliche Beschaffung in der Corona-Krise erfahren Sie im Blog-Beitrag Corona Virus - Wirtschaftskrise. Bleiben Sie gesund!

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