Wettbewerblicher Dialog

Wettbewerblicher Dialog

Ein wettbewerblicher Dialog ist eine sehr interessante Verfahrensart. Er ist in allen Vergabeverordnungen und auch in der für Bauleistungen zuständigen VOB/A-EU vorgesehen (§ 18 VgV, § 13 VSVgV, § 17 SektVO, § 3 EU Nr. 4 VOB/A). Obwohl er dem Verhandlungsverfahren ähnelt, unterscheidet er sich doch stark von den klassischen Verfahrensarten. Normalerweise startet der öffentliche Auftraggeber mit einer Vergabe, nachdem er eine Leistungsbeschreibung erstellt hat. Der Auftraggeber weiß also ganz genau, was er benötigt und selbst beim Verhandlungsverfahren sieht er maximal Anpassungsbedarf für seine vorher definierte Leistung.

Der wettbewerbliche Dialog ist anders. Der öffentliche Auftraggeber beschreibt seine Bedürfnisse und Anforderungen an eine Leistung, ebenso die Zuschlagskriterien und einen vorläufigen Zeitrahmen (§ 18 Abs. 1 VgV). In einer oder mehreren Dialogphasen ermittelt er mit geeigneten Unternehmen, welche er in einem Teilnahmewettbewerb ermittelt hat, wie seine Anforderungen am besten erfüllt werden können. In den Dialogphasen darf er anders als im Verhandlungsverfahren alle Aspekte des Auftrages besprechen.

Verbreitung des wettbewerblichen Dialogs

Wettbewerblicher Dialog unter die Lupe nehmen

Der wettbewerbliche Dialog wird im Vergleich zu klassischen Verfahrensarten eher selten genutzt. Dies hat sicher nicht nur damit zu tun, dass der öffentliche Auftraggeber diese Verfahrensart begründen muss. Denn wer ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb begründen kann, welches relativ weit verbreitet ist, darf auch einen wettbewerblichen Dialog nutzen. Woran liegt es also dann, dass ein wettbewerblicher Dialog vergleichsweise wenig verbreitet ist?

Es hat sicher etwas mit der Komplexität und der besonderen Eigenart dieses Verfahrens zu tun. Wenn ein öffentlicher Auftraggeber genau weiß was er benötigt, die Leistung nur nicht erschöpfend beschreiben kann, sollte er weiterhin ein Verhandlungsverfahren nutzen. Der wettbewerbliche Dialog sollte aber als echte Alternative wahrnehmen werden, wenn dies nicht der Fall sein sollte.


Allzu oft versuchen Auftraggeber durch Markterkundungen oder externe Berater alles um selber einen Lösungsweg zu definieren. Dies hat sicherlich auch etwas mit der "Erziehung der Fachabteilungen" zu tun. Viele Vergabestellen sagen ihren Bedarfsträgern, dass sie für den Beschaffungsvorgang unbedingt eine erschöpfende Leistungsbeschreibung benötigen - dann braucht man sich auch nicht wundern, wenn man eine bekommt. Ein wettbewerblicher Dialog kann bei komplexen Leistungsgegenständen aber dafür sorgen, dass kostspielige Beratungen vermieden werden und dass die Lösung mit denjenigen erarbeitet wird, die auch das Know-How haben, nämlich die Bieter, sprich der Markt selbst.

Wie könnte ein wettbewerblicher Dialog aussehen?

Wettbewerblicher Dialog entweder Brücke
Brücke oder Tunnel?
Wettbewerblicher Dialog oder Tunnel

Um das Prinzip zu des wettbewerblichen Dialogs zu verdeutlichen schauen wir uns ein fiktives aber sehr anschauliches Beispiel an. Sagen wir ein Bahnunternehmen (also ein Sektorenauftraggeber) möchte eine neue Zugverbindung realisieren. Für dieses Großprojekt müssen einige hundert Meter Wasser überwunden werden. Eine entsprechende Begründung für einen Losverzicht wurde positiv geprüft und liegt vor.


Normalerweise würde sich der Auftraggeber vor der Vergabe Gedanken machen, wie eine Verkehrsverbindung aussehen könnte. Eventuell würde er im Vorfeld eine Markterkundung durchführen oder sich sogar durch ein Ingenieurbüro für ein entsprechendes Honorar beraten lassen. Die Ergebnisse würden anschließend in eine umfangreiche und möglichst erschöpfende Leistungsbeschreibung einfließen. Am Ende würde in unserem Beispiel der Bau einer großen Brücke ausgeschrieben.


Doch unser Auftraggeber hat sich für den wettbewerblichen Dialog entschieden. Er definiert im Vorfeld nur Eignungskriterien für die Bieter und Wertungskriterien für die Leistung (z.B. Kapazität der Züge pro Stunde, Preis des Bauwerkes über den Lebenszyklus, Umweltstandards usw.). Im Anschluss wird direkt das Vergabeverfahren gestartet. Den Bietern steht es frei eine Brücke oder zum Beispiel ein Bahntunnel anzubieten. Die Lösung muss nur die aufgestellten Kriterien erfüllen.


Die Lösung wird beim wettbewerblichen Dialog zusammen mit den Bietern in sogenannten Dialogphasen erarbeitet. Der Auftraggeber bekommt die Beratung und unterschiedliche Konzepte direkt im Verfahren präsentiert. Der wettbewerbliche Dialog bietet sich also immer dann an, wenn der Auftraggeber nicht abschließend bewerten kann, welche Lösung für sein Problem die Beste auf dem Markt ist.

Verfahrensablauf

Ablauf Wettbewerblicher Dialog

Die Darstellung zeigt den Ablauf des wettbewerblichen Dialoges sehr anschaulich. Grundsätzlich funktioniert es wie folgt:


Nach der Vorbereitung der Unterlagen und Veröffentlichung der Bekanntmachung im Tenders Electronic Daily (TED) startet zuerst der Teilnahmewettbewerb. Das heißt der Auftraggeber prüft im ersten Schritt die Eignung der Bieter anhand von vorher festgelegten Eignungskriterien. Nur die Bieter, die entsprechend der Kriterien geeignet sind, dürfen bei der anschließenden Dialogphase mitmachen. Für ungeeignete Bieter ist das Verfahren hier beendet. Der Auftraggeber darf sich vorbehalten Eignungskriterien zu werten um dann im Anschluss nur mit der vorher definierten Anzahl der besten Bieter fortzufahren (§ 51 VgV).


Im Anschluss startet die Dialogphase. Hier wird zusammen mit den Bietern erarbeitet wie die Bedürfnisse des Auftraggebers am besten erfüllt werden können. Im Vergleich zur Verhandlungsphase eines Verhandlungsverfahrens hat der Auftraggeber deutlich mehr Spielraum und darf alle Aspekte des Auftrages erörtern. Beispielsweise kann aus einer Brücke ein Tunnel werden oder andersherum. Das wäre in einem Verhandlungsverfahren nicht möglich, da es sich um eine wesentliche Änderung der Leistung handeln würde.


In jeder Dialogphase kann die Anzahl der Lösungsvorschläge anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien verringert werden. Sollte im Zuge der Dialogphase keine Lösung gefunden werden, darf der Auftraggeber das Verfahren beenden.


Sind eine oder mehrere zuschlagsreife Lösungen gefunden, startet die Angebotsphase. Die Angebote werden formal geprüft und anhand der vorher festgelegten Zuschlagskriterien bewertet.  Das wirtschaftlichste Angebot erhält den Zuschlag.


Zum Abschluss wird der Auftraggeber die Bekanntmachung über vergebene Aufträge im TED fristgerecht veröffentlichen.

Praxistipps zum wettbewerblichen Dialog

 

  • Sprechen Sie mit Ihren Fachabteilungen über die Möglichkeiten eines wettbewerblichen Dialogs. Nur so können Sie neue Wege gehen. Hier ist falscher Stolz fehl am Platz - der öffentliche Auftraggeber und somit auch die Fachabteilungen können und müssen nicht auf allen Gebieten die Experten sein. Gerade bei den künftigen Herausforderungen der Digitalisierung sind die Entwicklungen auf dem Markt einfach zu schnell.

 

  • Vermeiden Sie es unterschiedliche Vergabeverordnungen vergleichen zu müssen. Würde man z.B. eine Fußgängerüberquerung über einen Fluss oberschwellig ausschreiben (also keine Sektorentätigkeit, wo leistungsunabhängig immer die SektVO gilt), wäre sowohl eine Brücke als auch eine Fährverbindung denkbar. In dem Fall müssten Sie eine Leistung nach VOB/A-EU mit einer Leistung nach VgV vergleichen.

 

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